Saturday, November 26, 2011

Paul de Grauwe: Dogmatismus treibt die Eurozone an den Rand des Abgrunds


Dogmatismus treibt die Eurozone an den Rand des Abgrunds.
Die gefährliche Verweigerung der EZB

In einer Währungsunion verliert ein Land zwei wichtige Waffen, schreibt Paul de Grauwe:
Die Abwertung und die eigene Zentralbank die Geld drucken kann. Wenn die Zentralbank von so einer Union sich dann weigert um zu einer kollektiven Verfahrensweise überzugehen, geht es schief.

Die Errichter der Eurozone dachten, daß eine Union wo jeder die gleiche Währung gebraucht und ansonsten sein eigenes Ding machen kann, funktionieren kann. Viele Ökonomen die aus ihrem akademischen Elfenbeinturm auf die Welt schauten, warnten, daß dies nicht funktionieren wird und daß auf die Dauer eine Krise ausbrechen wird. Die Warnungen sind nun Realität geworden. Was darauf hindeutet , daß man aus einem Elfenbeinturm doch besser sehen kann was in der Welt passiert als vom Boden aus.

Die Krise hat deutlich gemacht , daß die Eurozone nicht Summe individueller Teilnehmerstaaten ist, sondern eine gemeinsame Unternehmung. Laßt uns eben untersuchen was dies bedeutet.


Korrektur

Eine Währungsunion kreiert zwei Probleme die nur durch einen gemeinschaftlichen Ansatz befriedigend gelöst werden können. Erstens verlieren Länder welche an der Währungsunion teilnehmen ein wichtiges Instrument: den Wechselkurs. Dieses Instrument ist wichtig, weil es Korrekturen ermöglicht wenn ein Land auf ein falsches Gleis geraten ist. Das klassische Beispiel ist ein Land welches infolge von zu starken Lohnsteigerungen einen Wettbewerbsnachteil erlitten hat, der Export sinkt und die Arbeitslosigkeit entsteht. Dann muß eine Korrektur erfolgen.
Wenn dieses Land sich nicht in einer Währungsunion befindet kann es relativ einfach durch eine Abwertung der Währung auf einen Schlag seine Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen. Belgien war in dieser Situation zu Beginn der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts und wertete die Währung sehr erfolgreich ab.

Diese Möglichkeit der Abwertung besteht also nicht mehr in einer Währungsunion. Die Folge ist, daß die Korrektur nach einer Entgleisung viel schwieriger ist. Das Absenken von Löhnen und Preisen ist schmerzhaft und führt fast immer in eine Rezession. Um den Schmerz zu lindern ist eine zeitweilige finanzielle Unterstützung durch andere Teilnehmer der Währungsunion notwendig. So eine Unterstützung ermöglicht es um die Anpassung nicht allzu brutal ausfallen zu lassen und über einen angemessen Zeitraum zu strecken.

Solche eine finanzielle Unterstützung führt natürlich zu einer Möglichkeit, daß die Länder welche diese Unterstützung erfahren sich oppertunistisch verhalten und die notwendigen Anpassungen nicht oder viel zu langsam durchführen. Das ist das so genannte moral hazard – Problem welches so viel Aufmerksamkeit bekommt.

Es muß also ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen finanzieller Solidarität und Kontrolle des opportunistischen Verhaltens. Die Übung ist schwierig. Was ich beobachte ist, daß der Norden Europas dem moral hazard sehr viel Gewicht bei misst mit der Folge , daß die Bereitschaft Hilfe zu geben minimal ist. Diese Haltung vieler deutscher, niederländerdischer und flämischer Ökonomen ist: Die Länder sind entgleist, es ist ihre Schuld, sie dürfen nicht auf unsere Hilfe zählen, denn wenn wir ihnen helfen, werden die weiter bummeln. Inzwischen werden die Länder gezwungen außergewöhnlich schwere Sanierungsanstrengungen zu unternehmen.
Und das tun diese dann auch. Aber für viele nördliche Ökonomen bleibt das unzureichend und muß „Ordnung in die Sache gebracht werden“. Diese Haltung ist destruktiv für die Zukunft der Union. Eine Union ohne finanzielle Solidarität wird nicht bestehen bleiben. Wie eine Ehe wo einer der Partner in Probleme gekommen ist aber nicht auf die Unterstützung des anderen zählen kann.

Garantie

Das zweite Problem der Währungsunion entsteht weil die Mitgliedstaaten Schulden ausgeben in einer Währung worüber sie keine Kontrolle mehr haben. Das bedeutet zum Beispiel , daß die belgische Regierung die Anleihen ausgibt in Euros keine Garantien an den Anleihenhalter bieten kann, daß das Geld jederzeit da ist um die Obligationen am Verfallstag zurück bezahlen zu können. Länder die eine eigene Währung haben (USA, GB, Schweiz) können diese Garantie geben, weil diese in Krisenzeiten die eigene Zentralbank zwingen können um Geld zu liefern. Und es gibt keine Beschränkung der Kapazität der Zentralbank um Geld zu schöpfen.

Die Abwesenheit einer Garantie, daß das Geld jederzeit da sein wird macht die Regierungen einer Währungsunion ungewöhnlich verletzbar. Bei der geringsten Gefahr wenden die Anleger sich gegen die Staaten. Sie verkaufen Staatsanleihen wodurch eine Liquiditätsknappheit entsteht, die Zinsen steigen und die Schuldenlast erdrückend wird. Dies führt dazu, daß Finanzmärkte in einer selbsterfüllenden Weise die Staaten in eine Pleite treiben können.

Ich höre die fundamentalistischen Ökonomen aus dem Norden protestieren.
Ja aber diese Länder hätten ihr Haus in Ordnung halten müssen, heißt es dann.
Dann würden die Finanzmärkte, die immer Recht haben, ihr Vertrauen nicht verloren haben. Selber Schuld. Man hört es andauernd aus den Mündern der Marktfundamentalisten.

So einfach ist es nicht. Länder können durch eine Rezession oder eine Bankenkrise getroffen werden, wo diese höchstens teilweise für verantwortlich sind. Es wird immer Schocks geben welche diese Länder in Probleme bringen kann und die Zweifel in die Finanzmärkte sähen können
über die Fähigkeit dieser Länder um die Schulden zurück zu bezahlen. Und wie ich es demonstriert habe in einer Währungsunion werden diese Zweifel vergrössert mit größerer Instabilität als Folge. Heute ist dieser Zweifel umgeschlagen in Panik wo ein Land nach dem anderen durch massive Verkäufe von Staatsanleihen getroffen wird.

Rezession

Um dieses Problem zu lösen ist auch ein gemeinschaftlicher Ansatz notwendig. Hier kommt die Rolle der EZB ins Spiel. Die EZB ist die einzige Institution welche diese Panik stoppen kann. Sie kann dies bewerkstelligen indem angekündigt wird im unbegrenzten Umfang Stützungskäufe von Staatsanleihen zu unternehmen und dies fortsetzt solange die Krise andauert.
In dieser Ankündigung muß sie deutlich machen , daß sie es nicht zuläßt , daß der Zinsfuß auf spanischen, italienischen, belgischen und anderen Staatsanleihen mit z.B. mehr als 300 Basispunkten über den deutschen Zinsen steigen darf. Die EZB hat die Mittel um diese Strategie umzusetzen und um Vertrauen wieder herzustellen. In einem solchen Klima des Vertrauens bekommen Anleger ein interessantes Geschäft angeboten: Sie bekommen ein gutes Stück extra Rendite und eine Garantie, daß ihre potentiellen Verluste beschränkt werden bleiben. Viele Anleger werden zurückkehren als Käufer so daß die EZB relativ wenig Staatsanleihen kaufen wird müssen. Außerdem wirken die 300 extra Basispunkte als eine penalty rate ..ein Strafzins für die Staaten und stimulieren sie die Neigung um Schulden abzubauen.

Die EZB verweigert sich weiterhin. Das Resultat dieser Weigerung ist mit großer Präzision vorhersagbar: Eine allgemeine Bankenkrise und eine tiefe Rezession welche die Schuldenkrise noch intensiver machen wird und welche die Eurozone auseinander fliegen lassen kann. Selten hat Dogmatismus eine perversere Rolle in ökonomischer Politik gespielt.

authorisierte Übersetzung des Originalartikels in niederländischer Sprache:
Dogmatisme drijft eurozone naar afgrond (www.standaard.de)

++unlektorierte Version ++
notice for publishing media: The translator transferred all rights for German translation back to Mr de Grauwe. So if you want to republish his piece just ask him !

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